Unverletzt im Schnee

– Infos und Tipps zur Prävention von Ski- und Snowboardverletzungen –

Winterzeit ist Ski- und Snowboardzeit. In Deutschland sind das in den letzten Jahren im Durchschnitt immerhin ca. 4,2 Millionen Menschen gewesen, die aktiv Skisport betrieben haben. Von diesen verletzen sich leider ca. 55.000 so schwer, dass sie einen Arzt aufsuchen mussten. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit sogar noch recht gut da. So rechnet man in den USA bei jährlich acht bis neun Millionen Skifahrern mit etwa 500.000 Skiverletzungen. Beim Skifahrer sind dabei die Bänder des Kniegelenk besonders gefährdet; beim Snowboarder bricht bevorzugt das Handgelenk.

Betrachtet man Unfallstatistiken der letzten 30 Jahre, so sind die Verletzungszahlen für den Skisport in der Gesamtzahl abnehmend. Diese statistische Entwicklung ist erfreulich, für den direkt Betroffenen aber leider wenig tröstend.
Unglücklicherweise handelt es sich bei den Verletzungen im Ski- und Snowboardsport nicht selten um schwere Verletzungen. Oft lassen sich dabei auslösende Ursachen erkennen, die im Nachhinein leicht vermeidbar gewesen wären. Es ist daher für alle Ski- und Snowboardfahrer ein Gewinn, sich einmal mit ihrem persönlichen „Risikoprofil“ auseinanderzusetzen. Wir haben Ihnen deshalb an dieser Stelle einige Informationen und Gedankenanstösse zusammengestellt.
Ergänzt haben wir diese durch Ratschläge zum richtigen Verhalten im Falle schwerer Verletzungen.

Sollten Sie sich eine Verletzung des Kniegelenkes beim Skifahren zugezogen haben oder hindern Sie Knieprobleme daran, Ski zu fahren, dann werden wir uns Ihres Problemes in unserer Kniesprechstunde mit größter Sorgfalt annehmen. Noch lieber ist es uns allerdings, wenn es erst gar nicht zu einer Verletzung kommt.
Wir hoffen, mit diesen von uns zusammengetragenen Tipps und Infos einen kleinen Beitrag zu leisten, dass Verletzungen (noch) seltener werden.

Viel Spass beim Lesen!

Verletzungsursachen:
Häufigste Verletzungsursache ist der „Sturz während der Fahrt ohne Fremdbeteiligung“.
Vereinfacht gesagt ist die wirksamste Verletzungsprophylaxe also die Vermeidung eines Sturzes. Auf Platz zwei mit großem Abstand folgt die Kollision zweier Skiläufer.
Betrachtet man den Zeitpunkt der Verletzung genauer, dann ist im alpinen Skirennlauf an erster Stelle die Landung nach Sprüngen zu nennen. Weit überwiegend entstehen die Verletzungen nämlich zu diesem Zeitpunkt und nicht etwa im Rahmen des nachfolgenden Sturzes.
Zweithäufigster Verletzungszeitpunkt ist die Überlastung im Schwung.
Im allgemeinen Skilauf ist das Flexions-Valgus-Außenrotationstrauma der häufigste Verletzungsmechanismus, der häufig zu schweren Knieverletzungen führt.

Ungünstige Faktoren sind u.a.:

  • der relativ aggressive Kunstschnee
  • erhöhte Risikobereitschaft
  • ungenügende Skitechnik
  • mangelnde Fitness
  • mangelnder Schlaf
  • Alkohol
  • schlechte Sicht, vereiste oder tauende Pisten
  • Fahren auf zu schweren Pisten oder in zu starker Gruppe

Bei schweren Verletzungen kommen nicht selten verschiedene Faktoren zusammen .

Lokalisation von Skiverletzungen:
In einer Erhebung von Gläser (Vgl. Gläser 2005) zeigte sich folgende Verteilung nach Lokalisation:

  • Knie 31%
  • Schulter/Oberarm 20%
  • Rumpf 16%
  • Unterschenkel/Sprunggelenk 13%
  • Kopf 11%
  • Unterarm/Hand 9%
Interessanterweise zeigen sich Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Knieverletzungen sind bei Frauen häufiger und machen in einigen Datenerhebungen nahezu die Hälfte der Verletzungen aus (bei Männern und Kindern nur etwa ein Viertel). Dafür ist bei Männern der Anteil der Verletzungen im Bereich der Schulter und des Oberarmes fast doppelt so hoch wie bei Frauen. Bei Kindern ist im Vergleich zu Erwachsenen der Kopf und die Hand überproportional häufig betroffen.
Die ausgeprägten Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben vielfältige Ursachen, welche für die Unfallprophylaxe von nicht zu unterschätzendem Wert sind. Eine Studie von Ruedl et al. aus dem Jahr 2009 zeigte z.B., dass sich bei Skifahrerinnen in der 2-wöchigen Phase vor dem Eisprung eine erheblich höhere Rate an Kreuzbandrissen zeigt. Dies macht deutlich, dass wahrscheinlich auch hormonelle Faktoren Einfluss auf Skiverletzungen haben.

 

Überlastungserscheinungen des Bewegungsapparates spielen im Verhältnis z.B. zu Ausdauersportarten eine untergeordnete Rolle. Treten Sie dennoch auf, dann ist die Ursache nicht selten eine Kombination aus vorgeschädigter Struktur (z.B. Zustand nach Knieverletzung oder vorbestehende Arthrose), schlechte muskuläre Führung und hohe Belastungsintensitäten (z.B. durch Fahren in einer zu starken Gruppe).

 

Dingerkurs und Mang (Vgl. Dingerkurs und Mang 2001) fanden hier folgende Verteilung der Überlastungssymptomatiken:

  • Knie 61%
  • Wirbelsäule 11%
  • Hüfte 6%
  • Fuß 6%

Am häufigsten fanden sich hierbei Muskel- und Sehnenreizungen (39%) und Knorpelprobleme (33%).

Erstbehandlung:
Die Behandlung von Skiverletzungen oder Überlastungsschäden unterscheidet sich nicht wesentlich von der Behandlung bei anderen Sportarten.

In der Erstversorgung hat sich das PECH-Schema bewährt:
P– Pause
E– Eis (Kühlung)
C– Compression
H– Hochlagerung

Dieses hilft Blutungen und Schwellzustände im Bereich der verletzten Struktur zu reduzieren.
Da es sich bei Skiverletzungen nicht selten um schwere Verletzungen handelt und diese oft im Ausland auftreten, ist es wichtig, im Vorfeld für einen ausreichenden Versicherungsschutz zu sorgen. Dieser sollte die Bergung von der Piste einschließen. Hier entstehen sonst zum Teil erhebliche Kosten. Bei Verdacht auf schwerwiegende Verletzungen sollte auf eine sofortige angemessene ärztliche Behandlung in keinem Fall verzichtet werden.
Wir sehen in unserer Praxis häufiger Heimkehrer aus Skiurlauben, die aus Angst vor hohen Kosten auf eine solche verzichtet und den Heilungsverlauf dadurch erheblich verzögert haben.

Beispiele für Notfallverhalten bei schweren Verletzungen:

  • Taubheitsgefühle oder Lähmungen im Bereich der Arme oder Beine nach Sturz → sofortige Benachrichtigung des Rettungsdienstes
  • Bewußtlosigkeit → stabile Seitenlage, Rettungsdienst
  • ausgeprägter Knieschmerz, rasche Schwellung → Verdacht auf Kniebinnenschaden (z.B. Kreuzbandriss) → sofortige ärztliche Vorstellung, ggf. Transport durch Bergwacht (v.a. wenn ein Knochenbruch nicht ausgeschlossen werden kann)
  • ausgeprägte Schmerzen und ggf. begleitende Schwellung Daumen oder Handgelenk → sofortige ärztliche Vorstellung
  • ausgeprägte Schmerzen im Bereich der Schulter mit der Unfähigkeit, diesen zu bewegen → bei Verdacht auf Schulterluxation, Benachrichtigung Rettungsdienst, keine eigenen Repositionsversuche
  • bei jedem Verdacht auf schweres Schädel-/Hirntrauma und bei jedem Verdacht auf Knochenbruch oder neurologisches Defizit → keine eigenständige Abfahrt sondern im Falle des Zweifels besser Verständigung Rettungsdienst/Bergwacht

Snowboarden:
Der ständige Wechsel von Frontside- und Backsidekante führt zu erheblicher Belastung der Oberschenkelstrecker- und beuger. Ansprüche an Kraftausdauer dieser Muskelgruppen werden besonders vom Anfänger unterschätzt.
Snowboardspezifische Risiken sind jedoch auch in Gruppenmerkmalen der Ausführenden zu suchen. Im Vergleich zum Skifahren sind männliche Jugendliche überrepräsentiert. Diese Gruppe zeigt eine im Verhältnis erhöhte Risikobereitschaft, die sich in Verletzungszahlen direkt auswirkt. So findet sich bei 16-jährigen ein neunmal höheres Verletzungsrisiko als bei 25-jährigen Snowboardern.
Die meisten Stürze erfolgen nach vorne.

Hierbei zeigt sich folgende Verletzungsverteilung nach Lokalisation:

  • obere Extremitäten 39%
  • untere Extremitäten 30%
  • Wirbelsäule und Kopf 11%
  • Brustkorb 9%

Auffallend ist hier ein Wandel des Verteilungsmuster im Laufe der letzten Jahre, so dass unterschiedliche Studien zu grösseren Abweichungen in der Verletzungsverteilung kommen. Zusammenfassend kam es zu einer deutlichen Verschiebung von den unteren Extremitäten zu den oberen Extremitäten. Hervorzuheben sind handgelenksnahe Verletzungen. Hier finden sich, v.a. beim Anfänger nicht selten schwere Verletzungen. Diese können durch den Einsatz von Handgelenksprotektoren im Handschuh signifikant reduziert werden (Vgl. Ronnig et al. 2001, Matsumoto et al. 2004, Made und Elmquist 2004).

Im Vergleich zu Skianfängern finden sich bei Snowboardanfängern zudem signifikant mehr Wirbelsäulenverletzungen (Seino et al. 2001, Yamakawa et al. 2001). Rückenprotektoren und Schutzhelme müssen daher dringend empfohlen werden.

Überlastungserscheinungen betreffen wie beim Skifahrer vor allem das Kniegelenk (34%, vgl. Dann et al. 1997)

Zusammenfassung/Tipps:

  • Besonders nach Knieverletzungen ist ein optimale Rehabilitation und sorgfältige Vorbereitung notwendig, um erneute Verletzungen zu vermeiden. Dies gilt auch für jüngere sportliche Patienten. Patienten, die beispielsweise durch uns oder an anderer Stelle mit einer Kreuzbandplastik versorgt wurden, empfehlen wir daher eine Skipause von nicht weniger als 12 Monaten.
  • Probleme im Bereich des Rückens treten v.a. bei älteren Skifahrern mit Vorschädigungen auf. Bestehen also Bandscheibenschäden, Spondylarthrosen (Arthrose der kleinen Wirbelgelenke) oder Instabilitäten in Wirbelsäulensegmenten oder Kreuzdarmbeingelenken sind rumpfstabilisierende Übungen unersetzlich. Hierfür sollte ein Vorbereitungszeitraum von nicht weniger als 3 Monaten eingeplant werden.
  • Passen Sie die Auswahl der Gruppe und Pisten Ihrem Fahrkönnen und Vorverletzungen an.
  • Achten Sie auf ausreichend Schlaf, um Stürze aufgrund mentaler Ermüdung auszuschließen.
  • Alkoholkonsum erhöht die Gefahr von Stürzen mit schwersten Verletzungen erheblich
    Eine Studie aus Österreich zeigte deutlich: Je betrunkener der Skifahrer, desto schwerer die Verletzung.
  • Auswahl und Einstellung des Materiales sollte durch Fachpersonal erfolgen und nicht nur Körpergewicht und -größe sondern auch Fahrkönnen und Vorverletzungen berücksichtigen.
    Nichtauslösen der Bindung: bei weiblichen Skifahrern zu 22 Prozent ursächlich für eine Knieverletzung
  • Aufwärmübungen dienen der Verbesserung der Koordinationsfähigkeit und der mentalen Vorbereitung und verringern die Sturzgefahr am Beginn des Skitages
    Beliebt sind Aufwärmübungen hingegen nicht. Nur knapp 17 Prozent aller Kinder, etwa 12 Prozent aller weiblichen und 13 Prozent aller männlichen Skifahrer wärmen sich vor dem Skifahren auf.
  • Verletzungen und Überlastungserscheinungen betreffen am häufigsten das Kniegelenk. Im Rahmen einer gezielten Skigymnastik sollten Übungen sportartnah in der geschlossenen Kette durchgeführt werden. Dies ist der sicherste Schutz gegen Kraftlücken.
    Auch die rückseitige Oberschenkelmuskulatur sollte nicht vergessen werden. Studien haben gezeigt, dass gut ausgebildete Oberschenkelbeuger eine VKB-protektive Wirkung haben (Vgl. Noack 1987; St Clair 2000)
  • Da Kräfte nicht nur durch die Beine, sondern den gesamten Körper laufen, muss dieses auch in der Vorbereitung berücksichtigt werden (insbes. Stärkung der rumpfstabilisierenden Muskulatur)
  • Eine Technikschulung hilft Stürze und damit Verletzungen zu vermeiden
  • Vorsicht bei Zusatzplatten und Standerhöhung. Standhöhen über 55 mm erhöhen die Verletzungsgefahr signifikant
  • Die meisten Unfälle geschehen in den Nachmittagsstunden. Bei Anzeichen körperlicher oder mentaler Ermüdung sollten daher Pausen eingelegt oder der Skitag beendet werden
    Das Risiko ist nachmittags etwa 50 Prozent höher als am Vormittag. Allein zwischen 14 und 16 Uhr ereignen sich rund 38 Prozent aller Unfälle.
  • Eine gute Erstbehandlung von Sportverletzungen (PECH-Schema) und eine frühzeitige ärztliche Vorstellung bei Verdacht auf schwerwiegendere Verletzungen hilft, Heilzeiten deutlich abzukürzen
  • Rücksichtsvolles Fahren schützt Sie und andere Skifahrer
  • Das Tragen eines Skihelmes senkt die Gefahr schwerer Kopfverletzungen erheblich. Hierauf sollte unter keinen Umständen verzichtet werden.
    (Reduktion von Kopfverletzungen durch Tragen eines Skihelmes um 35-56% (Vgl. Mc Nab 2002, Hagel 2005, Russel 2010))
  • Insbesondere für Snowboardfahrer werden Handgelenks- und Rückenprotektoren dringend empfohlen.
  • Von der Einnahme von Schmerzmitteln vor dem Skifahren muss abgeraten werden.
  • Kein Skifahren bei Vorliegen von Infekten.
  • Bei Verdacht auf schwerste Verletzungen lieber einmal zu viel als einmal zu wenig den Rettungsdienst/Bergwacht anrufen.
  • Planen Sie Pausen ein! Besonders bei schlechter Vorbereitung und längeren Skiurlauben, sollte dieses bereits bei der Planung (Erwerb des Skipasses) berücksichtigt werden.

Insgesamt ist Ski- oder Snowboardfahren keine „gefährliche“ Sportart. Im Gegenteil: Viele Sportarten (unter anderem Fußball und Handball) sind mit einem statistisch deutlich höheren Verletzungsrisiko je Stunde sportlicher Betätigung verbunden. Bei guter Vorbereitung und Berücksichtigung der zusammengetragenen Tipps lässt sich das Verletzungsrisiko weiter deutlich reduzieren.

Viel Spass im Schnee!

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